Mit frischen Eindrücken von der Strasse schreibe ich ein kurzes Update - für die alten Hasen zur Unterhaltung, für die Markenwechsler oder in der Kaufentscheidungsphase gefangenen als Feedback.
(Nur kurz, denn ich bin gedanklich voll im (unnötigen?) Optimierungswahn (zum x-ten Mal und ich genieße jede Sekunde in vollen Zügen! - Kleinigkeiten sind erledigt, für wichtige Entscheidungen fehlen mir noch viele Fahreindrücke, die ich mir erst nach der Einfahrphase angucken kann. Davon später mehr...).
Die ersten 620km fast ausschließlich Landstraße zeichnen ein erfreuendes Bild der Tuono Factory im Vergleich zu ihrer Vorgängerin, einer scharf gemachten MV Agusta Brutale 910R. Das überwiegend sehr langsame Einfahren (wiederholter Koitus Interruptus am Drehmomentmax) liess sich gut zum Sammeln von Eigenschaften, die zwar erst im Zusammenspiel mit frei benutzbarem Motor wirklich auf ihr Design getestet werden, aber auch beim momentanen Einsatz erfahren werden können, nutzen.
Das Motorrad ist erwachsen, es fühlt sich für mich mit 1,76cm, 82kg seriös an, Gewicht etwas über 200kg - merkt man beim Rangieren und beim Einlenken (aber mein letzter Eindruck ist auch die gleichschwere, aber kürzere, steilere brettharte und hypernervöse Brutale). Die Tuono lenkt im Vergleich schön neutral ein, präzise wird die Schräglage angewählt und mühelos gehalten. Der 200er hinterlässt ein seitliches Rollgefühl wie eine F16 aus Top Gun - einfach cool. Es geht auch flink, wenn ich am Lenker ziehe. Ergonomie zurückhaltend sportlich, aber kommod, ich habe Platz zum Turnen oder fläzen. Druck auf den Handgelenken vermutlich wenn man etwas länger ist, bei mir nicht. Hier hatte die Brutale (Gott hab sie selig!) dank MR-Anlage eher gepasst wie ein teurer Golfhandschuh - fest integriert, kompakt, sportlich, aggressiv. Allerdings für meine Größe, denn man hat von Größeren vollkommen zu recht auch schon das Gegenteil gehört (Knie klemmt unterm Tank, Affe auf dem Schleifstein, etc...). Die gewonnene Freiheit auf der Aprilia wird durch den Sitz "auf" der Maschine, der eben trotz gemütlichen Kniewinkels doch Gefühl für das Vorderrad zulässt, positiv erweitert. Im entscheidenden Moment war die Brutale ein kleines bisschen unflexibler in der Sitzposition, obwohl sich das nur im direkten Vergleich mit der flinken Tuono so anfühlt.
Das Fahrwerk passt für die aktuelle Anforderung locker, Gabel taucht etwas ab, aber bügelt kleinere Unebenheiten auf der Hausstrecke glatt und legt über größere einen sämigen Boxhandschuh. Öhlins taugt eben auch für die Landstrasse und es geht hier halt nicht um reine Performance, sondern den Kompromiss aus ihr und Komfort - gut gemacht in diesem Fahrwerk und eine neue Erfahrung für mich! Mal sehen, ob nach der Einfahrphase zu dieser Einschätzung viel neues hinzukommt.
Bremsen kann ich noch nichts wichtiges zu sagen, funktionieren beim Cruisen, gewöhnungsbedürftig: erst Leerweg, dann softer Druckpunkt, den man mit Übung bestimmt besser trifft als ich momentan. Ich bin seit ewig einen direkt anliegenden harten Druckpunkt gewöhnt, so dass ich mich auf der Tuono überwinden muss, den Hebelweg zum Druckpunkt zu machen und dort dann mit der Dosierung hadere. Andere Ex-Sportler werden vermutlich ähnliches feststellen. Umsteiger von einem konventionellen Naked Bike (kein Supersportler-Derivat) oder (Sport)-Tourer werden dieses System lieben, weil sie es ohne Umgewöhnung bedienen können und eine Offenbarung erleben hinsichtlich der wenigen Handkraft, die für eine starke Bremskraft notwendig ist. Die Verzögerung ist sehr gut, fast zu gut für den weichen Druckpunkt. Die serienmäßigen Brembo-Monoblocks sind, jedenfalls beim zügigen Landstrasseneinsatz über jeden Zweifel erhaben.
OPTIK - ganz vergessen, obwohl sie den ganzen Tag im Kopf rumhängt wie Heidi Klum (sorry keine Italienerin...) im Jahr 2000 - frisch, aufdringlich, perfekte Maße, geht ihren eigenen Weg mit der halben Verkleidung, aber bietet Leckerbissen wie Schwinge, Rahmen, Heck - einfach schön, das man sowas auch in GEIL machen kann (statt fast nur form follows function wie bei BMW...). Vorteil der großen Kanzel gegenüber der Brutale, die vorne nix hat und der man eine Scheibe einfach nicht antun kann: deutlich bequemeres Fortbewegen bei erhöhtem Cruising-Speed. Der Original-Auspuff ist sicher attraktiv für ein Serienteil - obwohl das Rohr der S1000R geht, aber der KAT eben überhaupt nicht (!), aber die Brutale-Rohre haben hier optisch die unangefochtene Spitze reserviert - alle drei haben gemeinsam, dass sie den Motor nicht in der Form atmen lassen, für die er primär konstruiert wurde, aber hierzu an anderer Stelle später mehr (Akra, SC Project, kurz vs. lang, Halterung oben unten, ECU vs. Serie, Kat+Klappe, Krümmer vs. Montage, SLS, Engel gegen Teufel - Hallo? Erstmal Einfahren, beruhig dich mal... WAS TUN!!!??? - boah diese Sucht...).
Womit wir beim Sound wären: Hammer für Serie - 107db! - kommst du gar nicht durch die Lärmmessung in SPA und musst überall das Gas zu machen auf anderen Strecken... auf der Landstraße nicht aufdringlich, im Stadtverkehr geht es aber wegen der Klappe fast unter. Hab vorhin auf dem Feldberg grad ne R1 mit Komplettanlage offen gehört. Und an meiner Brutale lief zeitweise ein HP Hydroform ohne DB-Eater. Das ist echter Lärm - geiler Lärm, keine Frage - unten Knurren, oben Kreischen, aber unten UND oben rum gestrig laut und nervt andere etwas. Der V4-Sound ist geil, einzigartig dumpf unten, pulsierende Symbiose von kraftvollem Bollern mit dem buttrigen Stampfen der Kolben - FETT! Benimmt sich auch von der Laufkultur wie ein Hybrid aus Reihenvierer und V2. Obenrum Rennmotor, aber davon hab ich ja erst das Prelude gehört. Ich kann gut verstehen, wenn jemand damit komplett zufrieden ist, werde aber selbst sehr wahrscheinlich einen Schritt weiter gehen oder zwei.
Praktische Aspekte? Fussrasten demontiert - da hat wirklich einer SITZBRÖTCHEN wörtlich genommen. Das Motorrad wird mit Sitzbankabdeckung ausgeliefert. Der Soziussitz kommt im Karton. Da sind auch die Abdeckungen für die Löcher der Soziusfussrastenhalterung drin. Nicht mein Geschmack, aber erfüllen ihren Zweck und gut, dass jemand dran gedacht hat. Fahrersitz abnehmen (Batterie, Werkzeug, kein Stauraum) nur mit Inbus und auch unter Soziussitzbank beklemmende Enge - naja. Nicht wichtig, aber wenn Naked Bike, dann würde minimaler Stauraum nicht schaden. Vielleicht soll der Tuono-Treiber sein Vehikel ja nicht im öffentlichen Raum abstellen... ich stelle sie jedenfalls vors Büro und ein Schloss würde ich gerne mitnehmen und zwar ohne Rucksack oder Tankrucksack (geht eh nicht dran an die Serientankfassung). Andererseits spricht es für die Italiener, dass die Designer hier die Oberhand behalten haben!
Das macht eben den feinen Unterschied zu einer Honda oder Yamaha aus, die wirklich perfekt funktioniert UND so etwas bietet, aber eben durch diesen Will to please und ihre Abwesenheit von Kompromisslosigkeit eine andere Art der Liebe entstehen lässt.
Ich freue mich jedenfalls, meine knappe und wertvolle Freizeit mit genau dieser Maschine zu verbringen und bin schon sehr gespannt, was da noch kommt - wenn gewünscht, gebe ich gerne wieder ein Update.
Thai
(Nur kurz, denn ich bin gedanklich voll im (unnötigen?) Optimierungswahn (zum x-ten Mal und ich genieße jede Sekunde in vollen Zügen! - Kleinigkeiten sind erledigt, für wichtige Entscheidungen fehlen mir noch viele Fahreindrücke, die ich mir erst nach der Einfahrphase angucken kann. Davon später mehr...).
Die ersten 620km fast ausschließlich Landstraße zeichnen ein erfreuendes Bild der Tuono Factory im Vergleich zu ihrer Vorgängerin, einer scharf gemachten MV Agusta Brutale 910R. Das überwiegend sehr langsame Einfahren (wiederholter Koitus Interruptus am Drehmomentmax) liess sich gut zum Sammeln von Eigenschaften, die zwar erst im Zusammenspiel mit frei benutzbarem Motor wirklich auf ihr Design getestet werden, aber auch beim momentanen Einsatz erfahren werden können, nutzen.
Das Motorrad ist erwachsen, es fühlt sich für mich mit 1,76cm, 82kg seriös an, Gewicht etwas über 200kg - merkt man beim Rangieren und beim Einlenken (aber mein letzter Eindruck ist auch die gleichschwere, aber kürzere, steilere brettharte und hypernervöse Brutale). Die Tuono lenkt im Vergleich schön neutral ein, präzise wird die Schräglage angewählt und mühelos gehalten. Der 200er hinterlässt ein seitliches Rollgefühl wie eine F16 aus Top Gun - einfach cool. Es geht auch flink, wenn ich am Lenker ziehe. Ergonomie zurückhaltend sportlich, aber kommod, ich habe Platz zum Turnen oder fläzen. Druck auf den Handgelenken vermutlich wenn man etwas länger ist, bei mir nicht. Hier hatte die Brutale (Gott hab sie selig!) dank MR-Anlage eher gepasst wie ein teurer Golfhandschuh - fest integriert, kompakt, sportlich, aggressiv. Allerdings für meine Größe, denn man hat von Größeren vollkommen zu recht auch schon das Gegenteil gehört (Knie klemmt unterm Tank, Affe auf dem Schleifstein, etc...). Die gewonnene Freiheit auf der Aprilia wird durch den Sitz "auf" der Maschine, der eben trotz gemütlichen Kniewinkels doch Gefühl für das Vorderrad zulässt, positiv erweitert. Im entscheidenden Moment war die Brutale ein kleines bisschen unflexibler in der Sitzposition, obwohl sich das nur im direkten Vergleich mit der flinken Tuono so anfühlt.
Das Fahrwerk passt für die aktuelle Anforderung locker, Gabel taucht etwas ab, aber bügelt kleinere Unebenheiten auf der Hausstrecke glatt und legt über größere einen sämigen Boxhandschuh. Öhlins taugt eben auch für die Landstrasse und es geht hier halt nicht um reine Performance, sondern den Kompromiss aus ihr und Komfort - gut gemacht in diesem Fahrwerk und eine neue Erfahrung für mich! Mal sehen, ob nach der Einfahrphase zu dieser Einschätzung viel neues hinzukommt.
Bremsen kann ich noch nichts wichtiges zu sagen, funktionieren beim Cruisen, gewöhnungsbedürftig: erst Leerweg, dann softer Druckpunkt, den man mit Übung bestimmt besser trifft als ich momentan. Ich bin seit ewig einen direkt anliegenden harten Druckpunkt gewöhnt, so dass ich mich auf der Tuono überwinden muss, den Hebelweg zum Druckpunkt zu machen und dort dann mit der Dosierung hadere. Andere Ex-Sportler werden vermutlich ähnliches feststellen. Umsteiger von einem konventionellen Naked Bike (kein Supersportler-Derivat) oder (Sport)-Tourer werden dieses System lieben, weil sie es ohne Umgewöhnung bedienen können und eine Offenbarung erleben hinsichtlich der wenigen Handkraft, die für eine starke Bremskraft notwendig ist. Die Verzögerung ist sehr gut, fast zu gut für den weichen Druckpunkt. Die serienmäßigen Brembo-Monoblocks sind, jedenfalls beim zügigen Landstrasseneinsatz über jeden Zweifel erhaben.
OPTIK - ganz vergessen, obwohl sie den ganzen Tag im Kopf rumhängt wie Heidi Klum (sorry keine Italienerin...) im Jahr 2000 - frisch, aufdringlich, perfekte Maße, geht ihren eigenen Weg mit der halben Verkleidung, aber bietet Leckerbissen wie Schwinge, Rahmen, Heck - einfach schön, das man sowas auch in GEIL machen kann (statt fast nur form follows function wie bei BMW...). Vorteil der großen Kanzel gegenüber der Brutale, die vorne nix hat und der man eine Scheibe einfach nicht antun kann: deutlich bequemeres Fortbewegen bei erhöhtem Cruising-Speed. Der Original-Auspuff ist sicher attraktiv für ein Serienteil - obwohl das Rohr der S1000R geht, aber der KAT eben überhaupt nicht (!), aber die Brutale-Rohre haben hier optisch die unangefochtene Spitze reserviert - alle drei haben gemeinsam, dass sie den Motor nicht in der Form atmen lassen, für die er primär konstruiert wurde, aber hierzu an anderer Stelle später mehr (Akra, SC Project, kurz vs. lang, Halterung oben unten, ECU vs. Serie, Kat+Klappe, Krümmer vs. Montage, SLS, Engel gegen Teufel - Hallo? Erstmal Einfahren, beruhig dich mal... WAS TUN!!!??? - boah diese Sucht...).
Womit wir beim Sound wären: Hammer für Serie - 107db! - kommst du gar nicht durch die Lärmmessung in SPA und musst überall das Gas zu machen auf anderen Strecken... auf der Landstraße nicht aufdringlich, im Stadtverkehr geht es aber wegen der Klappe fast unter. Hab vorhin auf dem Feldberg grad ne R1 mit Komplettanlage offen gehört. Und an meiner Brutale lief zeitweise ein HP Hydroform ohne DB-Eater. Das ist echter Lärm - geiler Lärm, keine Frage - unten Knurren, oben Kreischen, aber unten UND oben rum gestrig laut und nervt andere etwas. Der V4-Sound ist geil, einzigartig dumpf unten, pulsierende Symbiose von kraftvollem Bollern mit dem buttrigen Stampfen der Kolben - FETT! Benimmt sich auch von der Laufkultur wie ein Hybrid aus Reihenvierer und V2. Obenrum Rennmotor, aber davon hab ich ja erst das Prelude gehört. Ich kann gut verstehen, wenn jemand damit komplett zufrieden ist, werde aber selbst sehr wahrscheinlich einen Schritt weiter gehen oder zwei.
Praktische Aspekte? Fussrasten demontiert - da hat wirklich einer SITZBRÖTCHEN wörtlich genommen. Das Motorrad wird mit Sitzbankabdeckung ausgeliefert. Der Soziussitz kommt im Karton. Da sind auch die Abdeckungen für die Löcher der Soziusfussrastenhalterung drin. Nicht mein Geschmack, aber erfüllen ihren Zweck und gut, dass jemand dran gedacht hat. Fahrersitz abnehmen (Batterie, Werkzeug, kein Stauraum) nur mit Inbus und auch unter Soziussitzbank beklemmende Enge - naja. Nicht wichtig, aber wenn Naked Bike, dann würde minimaler Stauraum nicht schaden. Vielleicht soll der Tuono-Treiber sein Vehikel ja nicht im öffentlichen Raum abstellen... ich stelle sie jedenfalls vors Büro und ein Schloss würde ich gerne mitnehmen und zwar ohne Rucksack oder Tankrucksack (geht eh nicht dran an die Serientankfassung). Andererseits spricht es für die Italiener, dass die Designer hier die Oberhand behalten haben!
Das macht eben den feinen Unterschied zu einer Honda oder Yamaha aus, die wirklich perfekt funktioniert UND so etwas bietet, aber eben durch diesen Will to please und ihre Abwesenheit von Kompromisslosigkeit eine andere Art der Liebe entstehen lässt.
Ich freue mich jedenfalls, meine knappe und wertvolle Freizeit mit genau dieser Maschine zu verbringen und bin schon sehr gespannt, was da noch kommt - wenn gewünscht, gebe ich gerne wieder ein Update.
Thai
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