Da muss ich aber etwas widersprechen! Das Problem mit der RS 660 ist allen voran der untere und mittlere Drehzahlbereich!
Ich nutze hier mal Bilder und Angaben von "Knubbler" aus dem R4F-Forum, ich hab auch dort von ihm das Okay bekommen, seine Inhalte zu teilen! Er hatte die Möglichkeit eine RS 660 mit leichtem Schaden zu demontieren und den Motor ausgiebig zu vermessen! Besonders herausgestochen ist dabei der Zylinderkopf:
Es beginnt mit den bewegten Teilen im Ventiltrieb, die sehr schwer sind, gerade wenn man sie mit Motorrädern vergleicht, die ein ähnliches Motorenkonzept verfolgen. Die Teile sind mit 136 Gramm sehr schwer und die Federkraft von 1200N enorm hoch, bei der 650edr Kawasaki sind es 84 Gramm und 490N! Um es kurz zu machen, es handelt sich eins zu eins um die Federn aus dem Motor der RSV4!
Knubbler hat daher einmal die Steuerzeiten gemessen und die RS660 hat mit 10,5mm Hub sogar einen Millimeter mehr Hub als eine K46 S1000RR!
Betrachtet man dann aber im Vergleich das Diagramm vom Flow-Bench der beiden Köpfe, kommt da ziemlich schnell Ernüchterung auf:
Jetzt muss man bedenken, die S1000RR muss pro Zylinder 250ccm füllen, die RS 660 330ccm! Sie hat merklich längere Öffnungszeiten, und dennoch geht da viel weniger Luft durch, als bei der S1000RR! Es wurden also die Ansaugkanäle mit dem 3D-Scanner vermessen und mit der S1000RR verglichen - blau ist die RS660, grün die BMW:
Der Kanal der RS 660 ist deutlich größer, bis zu 20% mehr Fläche. Er ist nicht besonders strömungsgünstig ausgelegt und sehr "plump" geformt! Das wirkt sich sehr auf den unteren und mittleren Bereich der Drehzahlen aus und es ist naheliegend, dass hier eben der Kopf der RSV dahingehend angepasst wurde! Die RSV aber soll über 210PS erzielen, dreht deutlich höher, hat variable Ansaugtrichter und eine Shower-Injection! Die RS hat all das nicht!
Und wie die Strömungsmechanik uns lehrt, strömt das Frischgas bedingt durch die großen und strömungsungünstigen Kanäle deutlich langsamer in den Zylinder hinein, als etwa bei der S1000RR. Gerade im unteren und mittleren Drehzahlbereich!
"Knubbler" hat dafür einen interessanten Ansatz, einen Einsatz, welcher entsprechend Einfluss nimmt - Einsätze welchen den Ansaugkanal deutlich optimieren:
Und siehe da, deutlich mehr Drehmoment in unteren und mittleren Drehzahlbereich, bis oben hin! Die Trichter von Gabro etwa, erzielen ab etwa 6500rpm aufwärts mehr Drehmoment, die Einsätze bereits ab 5000rpm!
Das ist schon ein deutlich harmonischer Drehmomentverlauf als in Serie! Man darf nie bedenken, aus der Kurve heraus ist man eben im mittleren Drehzahlbereich, und hier sollte eben entsprechend auch Drehmoment verfügbar sein! Und wenn das dann noch harmonisch ganz linear sich entwickelt, ein Traum!
Die Spitzenleistung würde ich bei der RS 660 nicht unbedingt angehen, sondern eben vielmehr den entscheidenden Bereich in der Mitte! Bei der RS aber hat Aprilia massiv Kosten beim Zylinderkopf gespart! Ich hatte im Studium (BWL & Wirtschaftspsychologie) einige Dozenten, welche hier im Raum Stuttgart ebenfalls in der Automobilbranche tätig sind, teils eben auch als Controller!
Vermutlich kommen hier eben die selben Maschinen zum Einsatz wie bei der RSV! Dazu eben Teile aus dem Ventiltrieb, um eben massiv Kosten einsparen zu können. Das erkennt man bereits, wenn man die Köpfe vergleicht:
Daraus resultiert eben der bescheidene Drehmomentverlauf der RS 660, den man hier sehr gut erkennen kann:
Quelle: Gabro Racing!
Man erkennt sehr gut, bis 7500rpm ist das Drehmoment ziemlich "mäh"! Und gerade für einen Twin ist das untypisch! Aber die Ursache habe ich ja erläutert, und wer dazu den kompletten Input lesen mag, kann hier im R4F einmal fortlaufen sich einlesen:
Klick
Zwischendurch werden auch andere Themen behandelt, aber generell ist der gesamte Thread sehr lesenswert! Ich weiß noch, was wir geschmunzelt haben in den ersten Seiten... aber wie "Knubbler" dann mal losgelegt hat, waren sehr schnell alle ruhig!
Um zum Ende zu kommen! Ich selbst finde die RS ist ein richtig gutes Motorrad, sonst hätte ich sie mir nicht gekauft und würde sie nicht auch umbauen! Und ich komme von einer R1 und einer 1199S, so schlecht kann die RS 660 also nicht sein, wenn ich die beiden kein bisschen vermisse, sobald ich auf der kleinen Aprilia fahre...
Wer aber in Sachen Leistung etwas tun möchte, der sollte eben eher die Problemzone angehen, wie die Spitzenleistung! Da hat man mehr davon, als wenn die letzten zwei PS oben herausgepresst werden! Problematisch ist eben auch, dass gerade im mittleren Bereich auch der KAT eine sehr restriktive Auswirkung hat auf die Leistungsentfaltung!
Und was man bitte nie vergessen darf, wer Änderungen vornimmt, der muss ein entsprechendes Mapping fahren! Sonst gehen die Kolben bzw. Kolbenringe sehr schnell über den Jordan...