Quelle:
https://www.facebook.com/ungemeve/
Eine Ergänzung. Für Dummies.
Heute soll es zu Protesten kommen. LKW-Fahrer wollen Autobahnen in NRW und rund um Berlin blockieren.
Gerd Fischer, Spediteur aus Bergisch Gladbach, äußerte sich gegenüber dem WDR, Zitat
»Die Regierung finde "immer wieder neue Vorwände, um die Preise zu erhöhen", meint Fischer, jetzt sei Schluss damit.«
Und genau da sehen wir das Problem, was ich bereits angesprochen hatte.
Mindestens ein großer Teil der Bevölkerung versteht gar nicht, was da derzeit passiert. Und Rechtspopulisten nutzen das aus, um in ihrem Sinne Stimmung zu machen.
Deshalb mal nur die Fakten:
Die Regierung hat absolut nichts mit den aktuellen Preisen für Sprit zu tun. Es hat keine Erhöhung von Seiten des Staates gegeben. Es sind keine Gesetze geändert worden. Und es hat auch nichts mit Umweltpolitik zu tun. Die Energiesteuern sind seit 2017 unverändert.
(EDIT: Ja, die weit vorher geplante CO2-Steuer ist draufgekommen. Die entspricht aber nicht einmal einem Zehntel des Anstiegs seit dem russischen Einmarsch.)
Der größte Teil der Steuern auf Benzin und Diesel wird nicht Anteilig (Prozent) berechnet. Sondern fix. Das bedeutet, dieser Anteil ist immer gleich, egal wieviel der Sprit kostet. 65 Cent pro Liter Benzin und 47 Cent pro Liter Diesel. Das war auch schon vor vier Jahren so.
Die einzige „Einnahme“ des Staates, die mit dem Spritpreis steigt, ist die Mehrwertsteuer. Das sind 19%.
Das bedeutet wiederum, dass jeder, der beruflich fährt, sich diese 19% eh wieder zurückholt. Er muss die „gar nicht bezahlen“. Ein Spediteur würde es beispielsweise einfach an den weiterleiten, den er beliefert.
Eine Maßnahme gegen die hohen Spritpreise könnte sein, diese Mehrwertsteuer auszusetzen. Das wäre eine naheliegende und verständliche Idee. Der Spritpreis ist aber so rasant gestiegen, dass wenn die Regierung diese Mehrwertsteuer aussetzen würde, es nicht viel bringen würde. Weil die Preise trotzdem schnell diese 19% wieder eingeholt hätten.
Deshalb berät die Bundesregierung seit Tagen, was man sinnvollerweise machen kann.
Würde der Staat auf die 19% Umsatzsteuer verzichten, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass die Menschen auch 19% weniger bezahlen. Die Konzerne können das an den Endverbraucher weitergeben, müssen es aber nicht. Sie könnten die 19% auch einfach einstecken und sich bedanken für noch mehr Gewinn.
Die fixen Steuern zu ändern, müsste durch ein Gesetz geschehen. Das wäre sehr aufwändig. (Referentenentwurf, Erste Lesung, womöglich Ausschusssitzung, zweite Lesung, Bundesrat, etc.)
Gerechter wäre es also, denen zu helfen, die auf das Auto angewiesen sind. Und denen, die eh wenig Kohle auf der Tasche haben. Das ist aber schwer umzusetzen und muss gut geplant sein.
Tatsächlich sinkt der Rohölpreis längst wieder. Obwohl er an den Tankstellen steigt. Das bedeutet, diejenigen, die sich die Taschen vollmachen, sind die Konzerne. Weder der Staat, noch die Tankstellenpächter.
Inzwischen gibt es den Verdacht, dass die Konzerne sich abgesprochen haben. Weil durch den Krieg und durch die Diskussion um russisches Gas und Öl die Nachfrage höher als das Angebot ist, können sie quasi die Preise bestimmen. Zusätzlich können sie das Angebot künstlich knapphalten.
Beispielsweise gehört die Raffinerie in Schwedt zu 92% dem staatlichen russischen Konzern Rosneft (über zwei weitere GmbH, die dazwischengeschaltet sind). Sie liefert alleine etwa 95% aller Kraftstoffe in Berlin und Umgebung.
Und die sacken gerade das ein, was wir an der Tankstelle bezahlen. Das bedeutet, diese zusätzlichen Kohle geht direkt an Russland.
Auf Social Media wird Stimmung gemacht. Eine aktuelle Auswertung der Daten zeigt aber, dass sich das Fahrverhalten gar nicht geändert hat. Dass bedeutet, die Deutschen fahren auch weiterhin nicht nur zur Arbeit, sondern auch zum Hobby, in den Urlaub und zu Kurzausflügen. Dieser Widerspruch ist bedenklich.
Meiner Meinung nach dient diese Stimmungsmache ausschließlich dazu, die Menschen wütend zu machen und so zu einer Spaltung beizutragen. Damit die, die diese Zusammenhänge nicht kennen oder verstehen, das Gefühl haben, der Staat wäre schuld daran.
Tatsächlich schützt diese Argumentation aber die riesigen Mehreinnahmen der Konzerne, die sich gerade als Kriegsgewinnler betätigen. Und auch die Einnahmen Russlands, das mit diesem Geld den Angriffskrieg in der Ukraine bezahlen kann. Dessen sind sich viele offenbar nicht bewusst.
Und sie benachteiligt die, die wenig Geld haben und auf das Auto wirklich (!) angewiesen sind. (Was weniger sein dürften, als gerne behauptet.)
Jeder, der Steuernachlässe vom Staat fordert, schützt damit automatisch die Gewinne der Konzerne. Es gibt kein „ja aber“.
Eine Lösung könnte sein, den Preis oder Gewinn zu deckeln. Beispielsweise indem man ihn an den Preis für Rohöl koppelt. Also den Konzernen vorzuschreiben, wie viel sie verdienen dürfen. Genau über sowas wird auch gerade beraten.
Das ist aber komplizierter, als einfach zu fordern „Der Staat muss auf Steuern verzichten“.
Ich hoffe inständig, dass auch die LKW-Fahrer und Spediteure das verstehen. Und alle anderen. Denn wenn es heute zum Verkehrschaos kommt, haben wir das nächste Problem. Die Protestler würden damit genau solche rechtspopulistischen Argumente unterstützen. Es womöglich aber gar nicht verstehen, wenn sie dafür kritisiert werden und denken, die Kritiker bezeichnen dann alle als „Nazis“.
Genau das ist es nämlich, was diese Rechtspopulisten damit erreichen wollen.
Und ich hoffe inständig, ich konnte das mal verständlich erklären und eine andere Perspektive anbieten.
EDIT 19:06 Uhr: Heute Nachmittag hat Wirtschafts- und Energieminister Habeck das Kartellamt eingeschaltet um genau diese Vorgänge bei den Konzernen zu prüfen.