In einem anderen Forum hat auch jemand der Frau Felipe geschrieben und das war die Antwort.
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Anregung an Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe. Ich darf Ihnen in deren Auftrag antworten.
Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns die Entscheidung nicht leicht gemacht haben. Als zuständiges Regierungsressort stehen wir in der Verantwortung, einen Interessensausgleich vorzunehmen und Entscheidungen im Sinne aller BürgerInnen zu treffen.
Fakt ist, und das wissen Sie sicherlich, die Bevölkerung im Bezirk Reutte wird vom Motorradlärm stark geplagt, zumal die Bergstraßen seit vielen Jahren beliebte Ausflugsstrecken für unzählige MotorradfahrerInnen sind.
In den letzten drei Jahren haben wir unzählige gelindere Maßnahmen ergriffen, die leider allesamt nicht zum gewünschten Ergebnis geführt haben. Ein Auszug:
· Vergangenen Sommer wurden erstmals auch im Bezirk Reutte Fahrverbote für das niederrangige Straßennetz erlassen, die das Ziel hatten, den Ausweichverkehr, verursacht von durchreisenden Touristen einzuschränken und um damit die Bevölkerung in den Ortschaften des Bezirkes zu entlasten.
· In den Jahren 2014 bis 2017 wurden mehrere Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der B 199, B 198, L 266 und der L 21 verordnet.
Nach der Evaluierung dieser Beschränkungen und einer neuerlichen Begutachtung der Motorradstrecken wurden im Sommer 2018 weitere verkehrsbeschränkende Maßnahmen gesetzt.
· An der L 266 Bschlaber Straße wurden zusätzliche Geschwindigkeitsbeschränkungen von 50 km/h und 70 km/h an unfallträchtigen Abschnitten (Bereich Großer Gröben – Kanzertal - Bschlabs) verordnet. Weiters wurde im Bereich Aufstieg Elmen zusätzlich zu der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h ein Überholverbot verordnet.
· An der B 199 Tannheimer Straße wurde die Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h auf den gesamten Gaichtpass ausgedehnt und für diesen Bereich zusätzlich ein Überholverbot verordnet. Im Tannheimer Tal wurde außerdem die Geschwindigkeit auf der Tannheimer Straße von Nesselwängle bis zur Staatsgrenze auf 80 km/h beschränkt – abgesehen von den bestehenden geringeren Geschwindigkeitsbeschränkungen.
· An der B 198 Lechtal Straße wurde im Bereich der Umfahrung Schönau zusätzlich zum bestehenden Überholverbot die Geschwindigkeit auf 80 km/h beschränkt.
· An der L 21 Berwang - Namloser Straße wurde die Geschwindigkeit auf 70 km/h im Bereich Aufstieg Berwang (zwischen Bichlbach und Berwang), in zwei Bereichen zwischen Berwang und Rinnen sowie im Bereich von Rinnen bis Anrauth beschränkt.
· An der L 255 Planseestraße wurde die Geschwindigkeit entlang des Plansees vom Bereich Hotel Seespitze bis zum Ortsteil „Am Plansee“ auf 50 km/h reduziert.
· An der L 246/L72 Hahntennjoch Straße wurde im Gemeindegebiet von Imst und im Gemeindegebiet von Pfafflar die höchst zulässige Geschwindigkeit auf 60 km/h beschränkt.
Das Regionalmanagement Außerfern hat eine Kampagne mit Plakaten entlang der Hahntennjochstraße verwirklicht, auch die IG Moto hat Folder angefertigt und Bierdeckel produziert, die zu einer leiseren und rücksichtsvolleren Fahrweise aufgerufen haben.
Leider blieben diese Bemühungen ohne den gewünschten Erfolg.
Mit der vom Land Tirol in Auftrag gegebenen Motorradlärm-Studie-Außerfern (
https://www.tirol.gv.at/arbeit-wirtschaft/esa/laerm/motorradlaermstudie-2019/) wurden zum ersten Mal in einem gesamten Bezirk der objektiv messbare Lärm, der von Motorrädern erzeugt wird und die subjektive Wahrnehmung der anrainenden Bevölkerung wissenschaftlich beforscht und in einem umfangreichen Studienbericht veröffentlicht. Darauf aufbauend bekamen die im Land zuständigen Abteilungen den Auftrag, den Ergebnissen entsprechend, Maßnahmen zu prüfen.
Lange Zeit stand ein Fahrverbot für alle Motorräder an den Wochenenden im Raum. Das wurde jedoch von der Mehrheit der Bevölkerung als weniger zielführend erachtet, als Fahrverbote für laute Motorräder. Ich denke zudem, dass ein derartiges Fahrverbot weitaus drastischere Auswirkungen gehabt hätte. Wir haben uns für einen Kompromiss entschieden, der nicht einmal 7% aller Motorräder auf 5 Straßenzügen und damit jene vom Fahrvergnügen ausschließt, die besonders laut sind. 94 Prozent der Landesstraßen sind, entgegen vieler bewusst falsch gestreuter Information, nicht von den Fahrverboten betroffen.
Warum Nahfeldpegel und nicht Fahrgeräusch?
Die eigentliche Herleitung, wie der Nahfeldpegel und der Grenzwert dazu gebildet wurden, erfolgte in getrennten Gutachten zur Verordnung aus technischer und lärmmedizinischer Sicht.
Die Argumentation der Verwendung des Nahfeldpegels (Standgeräusches) liegt in der Methodik des Typprüfverfahrens. Der Vorbeifahrtspegel aller seit geraumer Zeit zugelassenen Motorräder überschreitet einen bestimmten Wert (80 dB) nicht. Obwohl dieser Wert von den Motorrädern eingehalten wird weisen diese einen höchst divergierende Nahfeldpegel auf. Die Geräusche, wie sie im Nahfeld gekennzeichnet sind, entwickeln sich genau in jenen Situationen, wo durch starke Beschleunigungsvorgänge nicht mehr jene Fahrweise abgebildet wird, wie sie im Typprüfverfahren bei der Vorbeifahrtsmessung zu Grunde liegt. Genau dies Vorgänge führen aber bei den Betroffenen in einem hohen Prozentsatz zu Störwirkungen.
Warum nur Motorräder?
Nachdem die subjektive Störung durch Motorräder jene des zweispurigen Verkehrs bei weitem übersteigt, konzentrieren sich die Maßnahmen auf diese Fahrzeuggruppe, selbst wenn im zweispurigen Verkehr einzelne Fahrzeuge auch durchaus lauter sein können. Es entspricht den gewonnenen Erkenntnissen, dass bei gleichem Schallpegel der Motorradverkehr eben viel störender ist.
Warum jetzt?
Es war zu befürchten, dass der Motorradverkehr ob mangelnder alternativer Fernreisemöglichkeiten noch einmal deutlich zunehmen wird. Es war Zeit zu handeln.
Wir verstehen das Fahrverbot als Pilotversuch, selbstverständlich werden wir es begleitend evaluieren und nach Ablauf unsere Schlüsse ziehen. Es ist bestimmt nicht in unserem Interesse, weder AnrainerInnen noch heimischen GastronomInnen/Hoteliers/VermieterInnen das Leben in dieser ohnehin herausfordernden Zeit zu erschweren. Man kann es aber auch als Chance sehen, fühlen sich doch auch zahlreiche Gäste, die im schönen Tirol Ruhe und Erholung in der Natur suchen, vom Motorradlärm gestört. Auch ihnen wird das Fahrverbot zu Gute kommen.
In der Hoffnung auf Ihr Verständnis.
Herzliche Grüße
Julia Schmid