Im vorigen Jahr waren wir mit den Enduros in Rumänien gewesen. So richtig Enduro war das rückblickend nicht gewesen, aber dieses Jahr (2017) wollten wir es wagen, mit der Fähre nach Griechenland und von da aus über Albanien, via Montenegro und den restlichen Balkan innerhalb von 2 Wochen über moderade Staubpisten zu fahren.
Einge Wochen vor dieses Reise erzählte ich das einem Kumpel von mir. Er bekam glänzende Augen und fragte, ob er denn auch mitfahren könne. Da ich das ja nicht alleine entscheiden konnte, stellte ich eine Frage in die Gruppe. Betonend, dass er handwerklich äußerst geschickt ist und schon als Jugendlicher MotoCross gefahren sei. Natürlich durfte er mit und die Fähre von Venedig nach Igomenitza wurde zentral für alle gebucht.
Eine Woche später nahm dieser Kumpel noch mal Kontakt mit mir auf und fragte, ob er denn noch eine Person auf der Fähre nachbuchen könne. Natürlich wollte ich wissen, um wen er denn die Reisegruppe erweitern wolle. Er meinte, dass er unmöglich ohne seinen Schatz zwei Wochen Urlaub machen könne.
"Aber du weißt schon, dass wir primär staubige Pisten fahren wollen? Und da willst du dann mit Sozia lang?"
Er erwiderte, dass er da kein Problem sähe. Gut, dachte ich mir. Das ist aber dann sein Problem und bat unsere Reiseorganisation einen weiteren Platz auf der Fähre zu buchen.
Zwei weitere Wochen später fragte er - mittlerweile selbst Mitglied in der WA Gruppe - ob man denn noch ein weiteres Fahrzeug für die Fahre buchen könne. Jetzt wurde ich misstrauisch. Ich wusste, dass sein "Schatz" gerade in der Fahrschule war, um im Alter von Mitte 30 noch die Führerscheine für Auto und Motorrad zu erwerben. Eine Antwort in der Gruppe ersparte ich mir und rief gleich an.
Ich fragte ihn, ob er denn völlig des Wahnsinns sei. Er könne doch nicht jemanden, der gerade den Führerschein erworben hat (da hatte sie ihn noch gar nicht) auf eine so lange Reise mitnehmen (3000km). Und schon gar nicht, wenn es nicht gemächlich über flaches Land ginge, sondern auch und vor allem über Berge, durch Schluchten, auf schlechten Straßen oder auf gar keinen.
Er selbst sieht solche Dinge stets ungetrübt optimistisch und meinte, dass er ihr das zutraue. Ich hingegen traute mich diesen Vorschlag gar nicht der Gruppe zu unterbreiten. Weil, wie allen bekannt ist, die Begleitung eines unpassenden Tourteilnehmer/in die eigentliche Intention einer solchen Reise fundamental verändern kann, bzw. wird und die Wahrscheinlichkeit eines Fiaskos gen 100% tendiert.
Daher versuchte ich händeringend ihn von dieser Idee abzubringen und begann mit dem naheliegensten:
"Mit welchem Mopped soll Schatz denn fahren? Sie hat doch gar keins!"
"Ich gebe ihr meine WR."
"Ja ne, ist klar. WR 450 mit rund 60PS, das ultimative Offroad Monster einer Anfängerin in die Finger geben! Brilliante Idee!"
"Die macht das schon."
"Mit 8l Tankinhalt in den albanischen Bergen?"
"Ich häng einen Reservekanister an meine 800er GS."
"...und einer schmalen, harten Sitzbank, die die Bezeichnung gar nicht verdient?"
"Schatz ist hart im Nehmen!"
Er war nicht zu überzeugen. Wir einigten uns darauf, dass wir es versuchen, aber es völlig klar ist, dass wenn es nicht funktioniert, er mit "Schatz" alleine weiter fahren würde.
Und weil ich Mitleid mit dem Hintern von dem armen Mädel hatte, bot ich an, das sie meine MZ Baghira namens Mandy nehmen könne statt der WR. Ich hatte mir ja einige Wochen zuvor die 690er gegönnt und Mandy stand noch rum.
Mandy wurde noch schnell - ohne die Herren im blauen Kittel zu befragen - tiefer gelegt, der Führerschein wurde bestanden und es waren nur noch Tage bis zu Abreise. Ich war nicht wirklich optimistisch.
Am ersten Abend in Albanien war sie ein wenig eingeschnappt, als wir ihr erklärten, dass es nicht immer sicherer sei langsam zu fahren. In der Dunkelheit 50 auf einer gut ausgebauten Straße, auf der albanische Trucker mit 90 unterwegs waren, stelle vielmehr ein nicht unbeträchtliches Risiko dar.
Man konnte sie nicht mal dafür tadeln, dass sie sich standhaft weigerte endurotypisch im Stehen zu fahren, denn sie kam überall sturzfrei an, indem sie treckermäßig über die Pfade tuckerte.
Auch mit dem Speed veränderte es sich bei ihr über die Tage.
An einem Abend musste "Schatz" sich allerdings von ihrem Kerl das Fleisch schneiden lassen. Die Unterarme waren mittlerweile so hart und die Kraft aus den Händen derart gewichen, dass an eine selbständige Zerkleinerung der Nahrung erst im Mundraum zu denken war. Und ich glaube auch, dass die einzigen fleischlichen Gelüste für meinen Kumpel stets auf seinem Teller lagen. Sie fiel Abends immer todmüde ins Bett.
Am Sveti Jure geschah dann das kleine Missgeschick, dass sie sich von einem entgegenkommenden Radfahrer in einer Rechtskehre erschrecken ließ und Mandy sanft auf die rechte Seite legte. Aber nicht mal dabei ist sie selber hingefallen.
Rückblickend muss ich sagen, dass ich mich massiv geirrt habe und wir stets fern eines Fiaskos waren.
Dafür sorgte ein anderer, der schon am zweiten Tag in Albanien Bekanntschaft mit einer Leitplanke machte und damit seine Reise beendete. Aber das ist eine andere Geschichte.
Sie hingegen hat die ersten 3000 Kilometer ihres Motorradfahrerinnenlebens auf einer Reise über den Balkan, über Stock und Stein, erlebt, selten bis nie gejammert und ist nie wirklich gestürzt.
Allerdings ist sie mittlerweile eine miserable Sozia was man so hört...