Wir sind dereinst mal in einer gröĂeren Gruppe - ich glaube wir waren 11 - durch die PyrenĂ€en und Picos bis Leon und zurĂŒck gefahren.
Mit dabei war Lotte (Name geÀndert). Lotte war Anfang 60. Bloà hat ihr das keiner gesagt. Ich glaube sie selber wusste es auch nicht und hatte einen Spiegel, der die ganzen Falten weg gefiltert hat.
Lotte war eine eher zierliche Person. Als mein Kumpel sie am ersten Abend in der DĂ€mmerung von hinten in Bluse und Jeans gesehen hatte, fragte er mich, ob ich das "Schneggla" da drĂŒben auch schon erspĂ€ht hĂ€tte. Er war sichtlich enttĂ€uscht, als ich ihm eröffnete, dass es sich bei "Schneggla" um unsere Gruppenoma handelte.
Lotte fuhr eine altersgerechte Z1000. Also altersgerecht ihrem gefĂŒhltem Alter nach. Was sich ihre Schulkameradinnen an Werten um den Hals und an die Ohren hĂ€ngten, hĂ€ngte sie sich an die Kawa. Auspuff, Hebel, das volle Programm. Rizoma war gerade gut genug.
Was das Fahren betraf, konnte man wirklich kaum meckern. Gut, in Linkskurven fand sie meist eine andere, kĂŒrzere Linie, als die anderen, aber das hatte man ihr wohl auf der Rennstrecke so beigebracht. Und wenn man noch das GlĂŒck hatte vor ihr zu fahren, dann sah man nie, an welchen Stellen sie beschloss, dass nun kein Gegenverkehr beim Ăberholen kĂ€me. In diesem Verhalten erinnerte sie mich an meine eigene Oma. Die hielt auch immer den Stock raus und ĂŒberquerte die StraĂe ohne zu gucken. Weiter hatten die beiden gemeinsam, dass bei solchen Aktionen nie was passierte. Und beide waren schrecklich stur und konnten eigene Fehler nicht eingestehen. Altersstarrsinn?
Am ersten Tag von Frankreich aus startend, wurde Lotte schon nach 80km hektisch und wollte tanken. Sie verwies auf den kleinen Tank ihrer Z1000. Da dachte ich mir nichts dabei. Vielleicht hatte sie ja nicht voll gemacht daheim und wir hatten ja die Anreise per AnhÀnger gewÀhlt.
Weitere 120km spĂ€ter bei einer Pause erinnerte sie mich daran, dass sie bald tanken mĂŒsse. Meinen Einwand, dass das nicht sein könne aufgrund der bisherigen Distanz wollte sie nicht gelten lassen:
"Zwei Balken sind schon weg!"
Jetzt muss ich eingestehen, dass ich noch mit BenzinhÀhnen aufgewachsen bin und mir elektronische Balken als Anzeige des Benzinstandes bei einem dynamischen Fahrzeug, das stÀndig von links nach rechts und umgekehrt kippt, ohnehin stark suspekt sind.
"Ja und wieviel fehlt dir dann?"
"Das weiĂ ich nicht. Ich tanke dann immer voll!"
"Ja, aber du wirst doch wissen, wieviele Liter du dann tankst, oder?"
"Nein. Ich zahle einfach mit Karte und gut!"
"Und was passt in deinen Tank?"
"Keine Ahnung. Interessiert mich nicht. DafĂŒr hab ich ja die Balken."
Schwierige Konversation. Nach 140km fanden wir dann eine Tankstelle und ich schielte auf die ZapfsÀule und stellte fest, dass das ganze Theater wegen 8,5l gemacht worden war. Also ein Verbrauch von rund 6-7l.
Ich nahm mir fest vor, bei nĂ€chster Gelegenheit das Tankvolumen der Kawa in Erfahrung zu bringen. Erst bei der 2 Unterkunft 2 Tage spĂ€ter hatte es WLAN und ich fand heraus, dass wohl 15l in diesen Tank passen wĂŒrden.
Bis dahin war der Tankstellenterror weiter gegangen: "Bei mir blinkts schon!" Wir hatten dann zwar hin und wieder mal die Etappen bis auf 170km ausgedehnt, aber jedesmal erntete ich dann einen bösen Blick. Die Beteuerung, dass Ronny mit seiner Adventure bis zu 32l im Tank hÀtte, quittierte sie mit dem Ausbruch:
"Und wenn der dann vor mir fÀhrt und ich mutterseelenallein in der Pampa stehe?"
Aber jetzt wusste ich, dass die MĂŒhle garantierte 200km unter verschĂ€rften Bedingungen schaffen musste. Vermutlich sogar 250 bei entsprechender Fahrweise. Ich war das Theater so richtig satt!
Am nÀchsten Tag entdeckte ich bei KM-Stand 170 eine Tankstelle, schaltete noch mal 2 GÀnge runter und lud durch. "Heute gibt es eine Lektion!", dachte ich mir. Ihren Blinker zur Tanke hatte ich schon gesehen und beschloss einfach die nÀchste Tanke anzufahren.
Der ganze Pulk folgte mir. Auch Lotte.
Wir waren nun im spanischen Hinterland und fuhren in ein liebliches Tal. Schön kurvenreich. So nach 20km ging es noch ĂŒber einen kleinen Pass. Viele Serpentinen. So ganz hatte ich nicht im Blick, wann die nĂ€chste Tanke kommen sollte...
Bei KM-Stand 200 begann mich dann schon leicht das schlechte Gewissen zu plagen. Lotte war zurĂŒckgefallen und hatte wohl schon auf Spritsparmodus umgestellt. Aber Ronny mit seinem Tanklaster fuhr ja am Schluss. Das beruhigte ja dann doch ein wenig.
Kurz nachdem wir noch eine tolle Schlucht passiert hatten, kam eine Ortschaft und gleich am Ortseingang war eine Tankstelle, die ich gleich ansteuerte. Zwei Minuten spÀter erschien Ronny. "Lotte hat mich vorbeigewunken." Damit war mein Backup auch kaputt.
Einstweilen tankte ich mal, um dann die SÀule wieder frei zu geben, wenn die anderen kÀmen.
Als ich gerade anfing mir Sorgen zu machen, erschien Lotte mit Christian im Schlepptau als letzte. Wenigstens der war bei ihr geblieben. Also alles gut gegangen und hoffentlich die Lektion gelernt.
Zum Tanken nahm sie nicht mal den Helm ab, so aufgewĂŒhlt war sie. Nach 13l hörte sie auf zu Tanken. Langsam fahren schien echt was zu bringen bei der Kawa.
"So viel hab ich noch nie tanken mĂŒssen!" Ich verkniff mir, sie daran zu erinnern, dass sie ja eh keine Ahnung hĂ€tte, wieviel sie jemals getankt hĂ€tte, beging allerdings einen anderen Kardinalfehler: "Wenn du das Moped aufrichtest, dann geht bestimmt noch was rein..."
Wenn Blicke töten könnten.. Aber in meiner rustikalen Art hab ich das gar nicht gemerkt. TatsÀchlich lieà sich noch ein halber Liter reintröpfeln.
"Das macht es noch schlimmer! Dann hatte ich ja noch weniger!"
Wir wurden keine ziemlich beste Freunde mehr und Tankstops wurden im Anschluss etwas sorgsamer geplant.