Was ich bei der Diskussion vermisse, ist zum Beispiel das Thema Generationenwechsel. Und zwar nicht auf Händler-, sondern Kundenseite.
Ein heute 20-Jähriger hat oft einen komplett anderen Zugang zum Thema Motorrad, als ein 60-Jähriger. Die allmählich in Richtung Rente alternden Motorradfahrer sind noch mit viel Schrauberei am Wochenende groß geworden. Vergaser mussten eingestellt werden, zum Starten brauchte es Choke und so weiter. Dank der großartigen Fähigkeit unseres Gehirns, schlechte Erinnerungen im Laufe der Zeit auszublenden, geht damit bei manchen (natürlich nicht allen) auch ein gewisser rosaroter Blick einher. Und wenn diese Erinnerungen, zu denen auch der Plausch mit dem Werkstattmeister und der ölverschmierte Händedruck gehört (den auch ich als Mitt-30er sehr schätze), künftig wegfallen, sind wir traurig und bisweilen auch sauer darüber.
Und genau dieser Blickwinkel lässt sich in meinen Augen durchaus auch auf das Thema Händler und deren vielzitierte "Glaspaläste" übertragen.
Denn die junge Generation ist nahezu vollständig mit Produkten groß geworden, die einfach funktionieren. Ist das iPhone defekt, wird es ausgetauscht. Selbst Hand anlegen? Das ist doch in unserem Alltag nur noch sehr beschränkt möglich oder gar notwendig. Deshalb fehlt es oftmals auch am Bezug zur Arbeit am Motorrad. Stattdessen gefällt jungen Leuten ein cleaner, instagram/snapchat-tauglicher Look. Fahrleistungen werden immer beliebiger, weil ohnehin nur noch sehr nuancierte Unterschiede zu spüren bzw. messbar sind. Folgerichtig müssen die Hersteller auch viel mehr über Look & Feel, Multimediafeatures, Fahrassistenzsysteme und eben auch eine "hippe" Ownership-Experience punkten. Dazu zählt auch, dass die Werkstätten und Händler mit maximal professionellem corporate Design und gutem Kaffee punkten.
Es kommt nun mal nicht von ungefähr, dass in Handbüchern aktueller Motorräder durchaus mal steht, dass man zum Einstellen der Kettenspannung den Weg zum nächsten Service-Partner suchen soll. Hersteller wie Ducati haben extrem viel R&D aufgewandt, um Serviceintervalle zu verlängern und die Zuverlässigkeit zu verbessern. Der Grund dafür? Sicher kein Selbstzweck. Junge Leute haben heutzutage viel mehr Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und auch mehr Hobbies. Da muss die wenige Zeit, die dem Hobby Motorrad zufallen soll, nun mal auch mit einem funktionierenden Produkt genutzt werden.
Ich glaube persönlich, dass hinter diesen Konzepten viel Zukunftsausrichtung steckt. Wie viele von uns werden noch 10 oder gar 20 Jahre lang neue Sportmotorräder kaufen? Alle Änderungen, die jetzt angestoßen werden, dienen sicher keinen kurzfristigen Zielen, sondern sind strategischer Natur. Und da sehe ich halt, dass gerade die jüngere Generation Motorradfahrer oder eben die, die es werden sollen, gar keine Lust auf den technisch kompetenten Austausch haben, sondern andere Dinge höher gewichten. Und alle, die älter werden, müssen sich in meinen Augen auch damit anfreunden, dass unsere Präferenzen auf Seiten der Hersteller weniger gewichtet werden, da unsere potenzielle Kundenbeziehung mit jedem Tag ein wenig kürzer wird.
Es kommen sicherlich auch Absatzfragen hinzu. Sind wir Mitteleuropäer überhaupt in 20 Jahren noch einer der Kernmärkte oder wird das eher eine Region in Asien/Südamerika? Wird es künftig vielleicht auch im Motorradbereich in Richtung Agenturgeschäft laufen, wie es bei den Autoherstellern immer mehr der Fall ist?