Hier mein Erfahrungsbericht mit der neuen Tuono.
Mittlerweile bin ich die ersten 1200 km mit meiner Tuono Factory gefahren. Was für ein großartige Motorrad!
Ich hatte es mir ja nicht leicht gemacht: im Herbst war ich auf Exkursion im Highbike Testcenter im Paznauntal. Dort habe ich alles getestet, was für mich in Frage kam:
S 1000 R, Speed Triple, 16er Tuono RR, 16er Tuono Factory. Letztendlich war für mich die Tuono mit Abstand das beste Gesamtpaket. Also musste eine Tuono her. Die neuen Features der 17er haben mich angesprochen, daher also das neue Modell.
Für mich (1,77 m, 80 kg) passt die Tuono wie ein Turnschuh. Die 1200 km habe ich fast ausschließlich über Land abgespult; etwas Autobahn für die Probefahren bzgl. Helmkauf waren auch dabei.
Daher wird das auch der Hauptaugenmerk meines Erfahrungsberichtet sein.
Frühe Einfahrphase
Da ich möglich lange an meiner Bella Freude haben möchte, habe ich die Bella die ersten paar 100 km eher umher geschoben: niedrige Drehzahlen, Teillast, alle Gänge benutzt, kein Quickshifter. Funktioniert auch, war aber relativ spaßfrei.
Mit der Drehzahl steigt die Freude - Der Wahnsinn, was ein Eisen
Ab hier ist die Bella erwacht. In allen Belangen. Dieser Übergang vom "V4-schütteln" in niedrigen Drehzahlen in den vibrationsfreie Zustand ab ca. 5.000 U/Min ist für mich das großartigste, was ich bisher auf 2 Rädern erleben durfte. Untenrum ist es fast wie ein Hubraumstarker V2 um dann zum Reihenvierer mit besserem Klang zu werden. Im kurvigen Geläuf im 2. Gang die Tuono von einer Kurve in die nächste zu führen ist einfach eine Pracht. Absolute Ruhe im Fahrwerk, feinfühlig am Gas. Mir gelingt es mit der Tuono hier ausschließlich mit dem Gas zu fahren, ohne in Leerschub betrieb zu wechseln, so gut funktioniert die Gasdosierung.
Ich fahre seit 15 Jahren Motorrad, hatte jedoch die letzten 5 Jahre pausiert. Daher sehe ich mich eher als Wiedereinsteiger. Auch ist das mein bisher leistungsstärkstes Motorrad. Was mich wirklich überrascht hat, ist wie gut ich mit der Tuono vom ersten Kilometer an klar gekommen bin. Die Kombination von Sitzposition, Feedback vom Fahrwerk und den Pirelli Super Corsa Pneus ist der Wahnsinn. Die gefahrenen Linien waren immer genauso, wie ich das wollte. Die 16er Factory mit den Pirelli Rosso III war schon gut. Die 17er mit den Super Corsa drauf: eine Wucht. Als nächstes kommen wohl die Metzeler M7 RR (es kann ja auch mal regnen, höhere Laufleistung) drauf. Ich bin gespannt, ob die genauso gut funktionieren.
Bei meinen Ausritten war ich u.a. im Elsas und den Nordvogesen. Dort gibt es auch ein paar Serpentien. Nicht ganz so eng wie am Stilfser Joch, dafür mit besserem Asphalt
. Aber egal ob Serpentine oder lang gezogene Kurve: ich habe mich überall wohl damit gefühlt. In den Nordvogesen ist der Fahrbahnbelag ziemlich graß: Bitumen und darauf Split "geklebt". Das Ergebnis ist keine normale Asphaltdecke sondern eher Schmiergelpapier --> Grip ohne Ende. Der Super Corsa hat das mit Gummi-Popeln quittiert; obwohl es 15 Grad waren und ich maximal zügig unterwegs war. So hat es sich ergeben, dass der 200er Hinterreifen ziemlich rund eingefahren ist. Auch daran habe ich gemerkt, dass ich mich unglaublich wohl auf dem Motorrad fühle. Jetzt greife ich noch ein paar Dinge raus, die ich erwähnenswert finde.
Auf der Autobahn
Die 100 km auf der Autobahn habe ich mal geschaut, wie eine (lästige) Transferfahrt aussehen kann. Vom Winddruck finde ich sie deutlich angenehmer als meine alte CBR 600 RR. 150 km/h sollten über eine längere Strecke funktionieren.
Durch die Stadt / durchs kleinere Dorf
Irgendwie waren fast überall, wo ich unterwegs war, 30 km/h auf der Hauptstraße. Mit Tacho knapp unter 40 km/h im 2. Gang war es mit der Bella ok. Langsamer geht auch, wird dann etwas rauer im Lauf aber alles in allem durchaus aktzeptabel.
Das neue Display
In der Mitte ist das Display und außen herum gibt es zusätzlich noch jede Menge herkömmliche Lämpchen: ABS, Seitenständer, Tempomat, etc.
Das Display selbst ist super schön. Sehr hochauflösend, eine wunderschöne Schriftart. Ablesbarkeit ist großartig, egal unter welchen Bedinungen ich unterwegs war. Es schaltet auf einen Nachtmodus, wenn es zu dunkel wird.
Was mir sehr gut am kompletten Instrument (Display plus drumherum Lämpchen):
- Das Display selbst
- Die Übersichtlichkeit
- Der durch diverse Lämpchen signalisierte (einstellbare) Schaltblitz
- Alle Einstellungen auf einen Blick, ohne in Untermenüs zu müssen
- Während der Fahrt blinkt nichts, es lenkt nichts ab
Was mir nicht so gefällt:
- Der maximale Lean Angle sollte (wie bei der S1000RR) gespeichert werden. Die aktuelle Zahl ist witzig, jedoch hat man bei großer Schräglage andere Prioritäten als Werte vom Display abzulesen.
- Die Anzeige Brake/Throttle schlägt immer mal wieder komplett (in beide Richtungen) aus. Ist wohl ein Bug.
- Der Tempomat muss in Standby gebracht werden, bevor er aktiviert werden kann. Im Standby BLINKT das Lämpchen für den Tempomat. Absolut nervtötend. Daher: in der 80er Zone aktivieren, anschließend wieder ganz aus machen.
- Der Durchschnittsverbrauch zeigt Phantasiewerte (4,1 Liter) an.
Ingesamt wird hier die Entwicklung bestimmt noch weiter gehen: die Lämpchen werden ganz weg kommen. Auch denke ich, dass unterschiedliche Designs kommen werden. Normal, Sport (größerer Drehzahlmesser), Race (mit Rundenzeiten).
Der Sound
Die Euro 3 Tuono war lauter. Ich würde sagen auch einen Tick "schöner". Der Klang der neuen ist jedoch immer noch großartig. Aber eh egal, man kann die Zeit nicht zurück drehen.
Quickshifer / Blipper
Viel hoch geschaltet habe ich damit noch nicht, da die Drehzahlen aufgrund von Einfahren noch relativ niedrig sind. Hat jedoch sehr gut funktioniert. Die Blipper-Funktion habe ich nur mal kurz getestet. Hat wie beschrieben funktioniert. Richtig Testen bzw. richtig Sinn macht es wohl eher auf der Renne.
(Kurven-)ABS
Gefahren bin auf Stufe 3 (höchste Regelung). Einmal hat ein PKW vor mir in der Ortschaft eine Schreckbremsung gemacht. Dort habe ich in leichter Schräglage etwas stärker geankert. Auf einem Gullideckel ist dann das ABS angesprungen. Für mich ist das nachwievor noch ungewohnt, dass (durch das ABS) plötzlich Bremsleistung fehlt. Auf der Tuono hat das jedoch sehr gut funktioniert: im Vergleich zur S 1000 R ist das ABS Bremsen ruckelfreier. Außer das Bremsleistung reduziert wird, habe ich sonst nichts unangenehmer gespürt.
In Stufe 2 ist das Kurven-ABS auch noch aktiv, die Hinterrad-Abhebe-Erkennung ist Geschwindigkeitsabhängig geregelt. Das wird wohl die Stufe sein, auf der ich auf der Landstraße unterwegs sein werde.
In Stufe 1 ist gibt es dann kein Kurven-ABS mehr, den geringsten Regeleingriff und keine Hinterrad-Abhebe-Erkennung .
Und: ganz Abschalten geht auch.
Motormappings
Es gibt: Sport, Track, Race.
Definition lt. Handbuch:
- Sport: Das "reaktivste" Motormapping mit der höchsten Motorbremse. Hat den höchsten "Kraftschlussbeiwert".
- Track: Weniger Motorbremse.
- Race: Geringste Motorbremse.
Ich habe alle 3 probiert. Sport hat im Drehzahlkeller mehr "Erlebnisfaktor". Es fühlt sich spektakulärer an als im Race. Ggf. liegen dort tatsächlich ein paar Newtonmeter mehr an. Track ist die Mitte zwischen Sport und Race.
Für mich taugt das Race Mapping am meisten: sauberes hoch-Beschleunigung und vor allem die geringe Motorbremse finde ich angenehm. So fährt es sich runder. Ketzer würden den Aprilia Race-Modus wohl als Rain-Modus bezeichnen. Die Wahrheit liegt im Auge des Betrachters: Aprilia sagt, dass in allen Mapping die gleiche (Maximal-)Leistung anliegt. Wie dem auch sei, egal ob naß oder trocken: auf der Landstraße taugt mir das runde fahren am meisten, daher das Race Mapping.
Reichweite / Verbrauch
Die psychologisch wertvolle 200 Kilometer-Marke bevor das Reservelämpchen angeht habe ich noch nicht geschafft. Jeweils knapp davor. Mit vollem Tank los heißt das für eine 400 km Tagesetappe, dass der Tankstop ganz gut getimed sein muss. Oder man tankt halt 2 mal. In absoluten Zahlen waren das jeweils um die 7 Liter auf die 100 km. Viel weniger geht wohl nicht. Allerdings dürfte das für eine Tagestour durchaus hinkommen, da man mit der Tuono für zügiges Fahren keine sehr hohen Drehzahlen braucht.
Aprilia Tuono und Daytona Stiefel
Da meine alten Latschen mir beim leichtesten Regen nasse Füße beschert hatten, war es Zeit für neue. Alle Motorrad-Reisenden, die ich so getroffen habe, habe zum Thema trockene Füße immer gesagt: Daytona. Also habe ich mir den Daytona Sportstiefel mit Goretex zugelegt:
http://www.daytona.de/de/index.php?section=mediadir&cmd=detail&lid=1&eid=1 . Die Stiefel selbst sind bestimmt gut, auf der Tuono jedoch passt es dann nicht mehr: die dicke Sohle und der hohe Aufbau der Vorderfußbereichs sorgen für Verrenkungen beim Schalten. Auch das Hochstellen des Schalthabels hat nicht geholfen. Daher gingen die Daytona zurück und ich habe mir Dainese Torque D1 zugelegt. Mit denen passts jetzt.
Auszug aus dem Handbuch - Das wollte ich euch nicht vorenthalten
Ich vermute mal, dass das Handbuch in Italienisch geschrieben wurde und anschließend ins Deutsche übersetzt. Daher sind einige Begriffe ungewöhnlich. Eine besonders schöne Passage findet sich auf Seite 104:
"AWC (Anti Wheelie Control): Die Stufe 3 muss von Benutzern verwendet werden, die eine Fahrt ohne Federung möchten".
Zusammenfassend:
Ich habe mein Motorrad gefunden