Was mir an der politischen Diskussion immer wieder negativ auffällt, ist, dass es gefühlt nur noch zwei Maximalpositionen gibt. Entweder die Hysteriker, die gretamäßig „How Dare You“ schreien, wenn jemand SUV fahren will (als wenn der Individualverkehr ein signifikanter Hebel wäre) und am besten alles verbieten wollen, oder diejenigen, die aufheulen, wenn der Staat gewisse Mißstände durch Regeln versucht zu beseitigen. Und die, die beide Positionen ausgleichen wollen, werden von beiden Lagern beschimpft. Ich glaube, eine Vielzahl der gesellschaftlichen Probleme kann durch die freie Wirtschaft allein gelöst werden, aber eben nicht alle:
1. Betriebswirtschaftlich ist es es eine super Sache, per Massentierhaltung Schweine in Boxen groß zu ziehen und dann von bulgarischen Arbeitern für den Export nach China zerteilen zu lassen. Ich finde trotzdem, dass dieser Dreck bei Tönnies & Co aufhören muss. Dann kostet halt das Nackensteak ein, zwei Euro mehr und die Chinesen können ihre eigenen Schweine züchten. Mit ökologischer Landwirtschaft würde man wesentlich mehr erreichen als den Verbrennungsmotor totzureden bevor die Batterie überhaupt preislich und reichweitenmäßig eine Alternative für die gesamte Bevölkerung ist.
2. Der Kapital- und Immobilienmarkt ist durchseucht von Spekulanten und Großinvestoren. Was spricht denn dagegen, ab einer gewissen Höhe von solchen Einkünften die Kapitalertragssteuer anzuheben. Es bringt keinen in einer solchen Situation um, wenn er ab 50.000€ Kapitaleinkünfte vielleicht 30% Steuern zählt. Es ist es doch heute so, dass derjenige, der 50.000€ mit Arbeiten erwirtschaftet, stärker zur Kasse gebeten wird als der, der Kapital für sich arbeiten lässt. Und wenn dann dann eine Handvoll unsolidarischer Egozocker lieber in der Schweiz leben, dann ist das halt so. Meine These ist, die, die so denken, sind eh schon weg.
3. Es wäre wahrscheinlich auch nicht der Untergang der freien Gesellschaft, wenn wir 18Jährige wieder ein oder besser noch zwei Jahre verpflichtenden Dienst machen lassen, um das Gesundheitswesen, insbesondere die Pflege zu entlasten. Denn die Privatisierung des Gesundheitswesen hat eben nicht höhere Qualität gebracht. Wer da keinen Bock drauf hat, könnte zwei Jahre zum Bund. Wer aber so was heute anregt, gilt wahlweise als Staatsfetischist oder bzgl. Dienst an der Waffe als Nazi.
4. Die Wirtschaft kann heute jede Schraube zur einzelnen Zuliefercharge zurückverfolgen, aber wenn man sie verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Zulieferer keine Zwangsarbeiter oder Kinder einsetzen, dann ist das angeblich wegen dem Verwaltungsaufwand nicht machbar. Gleiches Spiel beim Wirtschaftsstrafrecht. Wenn ein Unternehmen Mist baut, wird halt die Kriegskasse aufgemacht und eine Heerschar von Top verdienenden Anwälten und Beratern aktiviert, die einem einzelnen überarbeiteten Staatsanwalt gegenübergestellt werden. Um das zu beseitigen, braucht es weitreichendere Verpflichtungen und Gesetze als auch mehr Ressourcen bei den Ermittlungsbehörden.
5. Der Staat soll bitte immer einspringen, wenn es den Unternehmen nicht gut geht. Wenn aber ein halbes Jahr später Hauptversammlung ist, darf man die Einsparungen an die Aktionäre in Form von Dividende ausschütten. Wer also möglichst erratisch zwischen gesund und krank wechselt, bekommt Staatshilfe. Das ist krank.
Ich will keine Planwirtschaft, aber ich will, dass sich auch Liberale diesen Problemen endlich mal stellen, als immer nur darauf zu verweisen, der Markt wird‘s schon richten.