Ich hab es heut getan, nein nicht gekauft

Nur Probegefahren, weil ich mir meine eigene Meinung bilden wollte.
Wer Zeit und Lust hat - meine ganz frische Erfahrung mit der neuen Ducati Streetfighter V4 S.
Anreise mit meiner geliebten Tuono, dann Probefahrt in semi-bekanntem Revier für nur 30 Minuten und danach auf meiner Tuono wieder nach Hause.
Das bedeutet, ich hatte den direkten Vergleich, hin und her
Ganz kurz zu mir, um meine subjektive Meinung einschätzen zu können.
Ich bin noch 36 Jahre jung und fahre ohne Pause seit dem 18. Lebensjahr Motorrad und bin sehr offen gegenüber den verschiedensten Konzepten.
Besessen hab ich diese Bikes in folgender Reihenfolge:
- Kawasaki KX250 (Voll-Cross, oder KLX weiß ich nimmer)
- Suzuki GSF 1200 S Bandit
- Triumph Speed Triple (Bj. 2010)
- BMW R nineT Scrambler
- Triumph Speed Triple S (Bj. 2017)
- BMW R 1200GS (Bj. 2010, luftgekühlt, Öhlins Fahrwerk)
- Aprilia Tuono V4 1100 RR
Darüber hinaus konnte ich einige weitere Modelle recht ausführlich testen:
(nicht in der Reihenfolge

)
- BMW S 1000 RR (1.Gen.)
- KTM 1290 Superduke
- Harley Davidson Fat Bob
- Yamaha MT09
- Yamaha MT10
- Ducati Monster 1100 Evo
- Honda X-Adv
- Suzuki SV 650 S
- Yamaha XJR 1300
- Triumph Speedmaster
Ich fahre etwa 8-10.000km im Jahr, habe keine Erfahrung auf der Rennstrecke, aber das eine oder andere Fahrsicherheitstraining absolviert. Bin gern sportlich zügig unterwegs, schräg - aber nicht mit Knie am Boden. Ich verwende im Sport Modus meiner Tuono gerne die Motorbremse und verzichte meistens aufs späte Ankern, pflege also einen eher runden Fahrstil.
Heißt für mich - bin ein ganz durchschnittlicher, zügiger Motorradfahrer - aber ohne Interesse an großen Motorradansammlungen, Applauskurven und Wochenend-Hotspots. Bin in den letzten 9 Jahren hier in Bayern, 1x Mal von den Polizei angehalten worden und hab nicht gezahlt
Wenn du, werter Leser, es bis hierhin geschafft hast, dann danke schon mal - du bist offensichtlich interessiert an der 30minütigen Erfahrung eines durchschnittlichen 2-Rad Liebhabers von nebenan (Kein 1000PS, Motorrad, Fuel usw...)
Vor der Fahrt kurzes Kennenlernen der roten Diva.
Das TFT ist wirklich top abzulesen, das unendliche Menü definitiv leichter zu bedienen als unsere umständliche Joystick-Lösung.
Im Untermenü gibt es Einstellmöglichkeiten, die in der Anzahl vermutlich unsere Hübsche in den Schatten stellt.
Also hab ich mich mit dem mittleren Sport-Modus zufrieden gegeben.
Ich wollte einen ersten Eindruck, da ich vor Jahren mit der Monster 1100 Evo, keine besonders glückliche Zeit hatte.
Wollte immer eine Ducati, als Kärntner Junge in der Nähe von Italien aufgewachsen, keine Frage.
Hab mir geschworen, wenn mich der Motor der Duc nur halb so viel begeistert wie der seidige Triple, nehm ich die rote Zora!
Zu groß war die Euphorie für den Mythos Ducati, das geniale „After-Market-Programm“ rund um Bike und Fahrer.
Wie du aber schon gelesen hast, es wurde die Speed Triple.
So viel zum Thema Mythos Ducati

Dann, die ersten Berichte und Bilder zur neuen Streetfighter.
Erste Einschätzung: furchtbare Winglets, viel zu tiefe Front usw.
Man redet sich sein eigenes Bike immer gern am schönsten, aber offen für andere - warum nicht.
Erster Start mit Wheelie im Sattel!
Alter Schwede, welcher italienische Ingenieur hat mit wem (oder wie vielen) in Brüssel geschlafen, um das EU konform zu bekommen?!
Kein Witz, seit Tuono fahre ich immer mit Ohrstöpseln. Aber was der, laut dem Motorrad Magazin, designierte Joker aus Bologna aus seinem Serientopf in die Umwelt zimmert, war für mich jenseits von gut und böse.
Dagegen ist meine Donnerfreundin ein laues Lüftchen.
Um vorweg zu greifen, welches ich danach umso mehr geschätzt habe, später mehr!
Die anfängliche Scheu im Fall des Falls an die Versicherung 2000€ wegen Übermut zu überweisen, hat sich recht schnell gelegt.
Bin selbst 182cm, 81kg mit einer Schrittlänge von 88cm.
Und der Joker passt wie angegossen!
Was mir an der Superduke zu hoch und aufrecht war, ist die Streetfighter für mich das perfekte Naked Bike.
Besser integriert als in meiner Tuono, durch den fehlenden Windschutz keine Verwirblungen - ich muss gestehen, bis dato perfekt.
Was die Tuono meines bescheidenen Erachtens in schnell gefahrenen Radien kann, macht der Joker bei gemäßigtem Tempo im engen Geläuf.
So schnell „wohl und daheim gefühlt“ hab ich mich sehr selten.
Fährt sich spielend leicht und trotzdem nicht so nervös, wie für mich zB die MT09 (alles nur meine subjektive Wahrnehmung)
Inwieweit der Reifen seinen Teil dazu beiträgt, will ich unerfahrener Reiter gar nicht kundtun.
Ist mir auch egal. Der rote Bengel hatte erst 100km auf der Uhr, damit auch der Reifen - und trotzdem hat es sofort gepasst.
Dem gegenüber stehen gut 4000 Kilometer auf meiner eigenen Black Beauty mit Rosso 3 und RA3.
Völlig übermotorisiert sind beide Italienerinnen, jedoch hätte ich mir die 33 PS Mehrleistung noch spürbarer vorgestellt.
Soll sich für mich durchaus nach einer Auszeichnung anhören, überfallartig war die Leistung nicht, wirklich toll zu dosieren.
Und eine wahre Kurvenfreude - hat für mich top funktioniert und mit einer spielenden Leichtigkeit, wie ich sie bei der Tuono so noch nicht kennengelernt hab.
Gut möglich, dass für meine bescheidenen Künste, die eher typische Naked Bike Haltung der Duc besser funktioniert.
Dass die Tuono über jeden Zweifel erhaben ist, steht außer Frage. Meines Erachtens folgt die SF meinem eingeschlagenen Radius nur noch einfacher und intuitiver, vielleicht eine Typfrage.
Interessant fand ich jedoch besonders die deutlich unterschiedliche Klangkulisse der beiden V4.
Die Profis unter euch wissen über die Details der geänderten Motorcharakteristik.
Der Laie, wie ich, freut sich darüber, dass das typische V4 Donnergrollen unserer Tuono weiterhin heraushörbar bleiben wird.
Nur leiser!
Auf jeden Fall hat meine Tuono ihren Meister gefunden.
Ich bin sehr dankbar für die Klappe, die mich besonders innerorts noch sozialverträglich sein lässt - wenn ich es will.
Es gibt auch beim Streetfighter einen Bereich, in dem offensichtlich die lautstärketechnischen Grenzwerte eingehalten werden können.
Jedoch habe ich diesen Bereich in der heutigen Probefahrt nur 3 Mal zufällig gefunden.
Vom Gefühl her, war es irgendwo zwischen 3.200 und 3.350 U/min im 3. Gang. (immer noch subjektiv, mit Augenzwinkern)
Wie auch immer, dieser Mix aus V2/V4 Donner-Geboller war eher mehr ein Inferno für meine Ohren.
Sie klingen jetzt noch, möchte mir ehrlich nicht vorstellen, was ohne Ohrstöpsel los gewesen wäre.
Wobei ich durchaus glaube, dass die Umwelt es nicht ganz so dramatisch wahrnehmen wird - ähnlich wie bei unserem V4. Wenn ich unsere Bella im Vorbeifahren höre, genieße ich den Sound sehr und finde diesen nicht ganz so dominant wie im eigenen Helm, von daher Top für mich.
Da ich hart arbeiten muss, um mir mein Hobby zu finanzieren, suche ich für mich immer die EINE eierlegende Wollmilchsau.
Je nach Alter, Lebensumständen, Zeit neben der Arbeit usw. sind einmal die Eier wichtiger, das andere Mal dann doch eher die Wolle!
Mein aktuelles Alter und die Arbeit erlauben mir nur ein teures Spielzeug, immer noch ein Luxusproblem!
Würde ich die Streetfighter haben wollen?
Ja.
Würde ich die Tuono dafür eintauschen?
Aktuell, nein.
2 Gründe. So, wie sie mir gefällt, steht mindestens die 25 vor den anderen Nullen.
Das ist mir aktuell zu viel Geld, da vermutlich auch die Kosten für Service und Unterhalt in den letzten Jahren bei Ducati nicht erheblich günstiger geworden sind.
Und nennt mich Weichei, aber ich fahre gerne ausgiebige Touren. Und die kann ich mir mit dem DB Inferno des Joker gerade nicht vorstellen.
Werd sie auf jeden Fall nochmal testen, gerne auch über einen längeren Zeitraum.
Aber meine aktuelle Liebe ist und bleibt die Tuono.
Wie von der ersten Minute an, steht unsere V4 für mich für den perfekten Sound.
Das waren schon meine mindestens 80% der ausschlaggebenden Gründe für die Bella aus Noale.
Alles andere ist herrliche Zugabe.
Die Streetfighter wäre für mich nahezu perfekt, jedoch ist das Inferno für mich mindestens 80% Grund genug, um heute nein zu sagen...
Gruß Wheelie