@much_name : Nein, ich möchte nicht polemisch sein. Ich hab nur geschrieben, was ich aus deiner Aussage lese. Ich verstehe sie so: gemessen am Grad der Industrialisierung in Deutschland ist im Ländervergleich der CO2-Ausstoß vergleichsweise gut. Wir nutzen also unser CO2-Budget effizienter als andere. Folglich wäre das Level schon höher und Einsparungen dadurch schwieriger und teurer. Das an sich Stelle ich ja gar nicht in Frage.
Ich sehe darin aber keine Rechtfertigung auf Maßnahmen zur Einsparung zu verzichten. Denn es geht meines Erachtens bei der Betrachtung nicht primär darum, wer sein CO2-Budget am effizientesten nutzen kann, sondern wieviel man jeweils als CO2-Budget zur Verfügung hat. Und wenn man mal annimmt, dass jedem Menschen auf diesem Planeten grundlegend das gleiche CO2-Budget zusteht, lässt sich eben nicht rechtfertigen, dass Deutschland oder die Deutschen dauerhaft mehr Budget beanspruchen als andere. Und das auch nicht erst seit gestern sondern schon knapp 2 Jahrhunderte. Daher hatte ich das mit den kumulierten Werten angesprochen. Ganz anschaulich dazu:
Nun davon ausgehend, dass Deutschland sich schon einen wesentlichen Teil vom ihm zustehenden Stück des "CO2-Kuchens" gegönnt hat und damit ein hohes BIP und Wohlstand erwirtschaften konnte, kann man sich meiner Meinung nach nicht hinstellen und quasi sagen: den anderen, die noch nicht auf unserem Level sind, fällt das CO2-Sparen ja viel leichter als uns und damit lohnt sich das bei uns nicht. Damit spricht man anderen Ländern implizit deren CO2-Budget zu unseren Gunsten ab. Und man verkennt, dass man als Jahrzehntelanger Spitzen-CO2-Produzent eigentlich in der Schuld der vielen anderen Länder steht, die seit eh und je weniger CO2 ausstoßen. Noch hinzu kommt, dass wir in Deutschland sehr wahrscheinlich von den Folgen einer Erderwärmung weniger belastet werden, als es viele andere, kaum industrialisierte Länder treffen wird. So - das ist natürlich erstmal eine recht idealistische Sichtweise auf die Sachlage und auch keine sehr bequeme. Aber die Augen vor diesen Umständen zu verschließen ist zumindest für mich persönlich keine Option. Und daher sehe ich es eben, anders als du, so, dass wir in der Pflicht sind, auch diese "kleinen" Maßnahmen anzugehen. Denn ich kann nicht von anderen Erwarten, sich an ihre CO2-Ziele zu halten, wenn ich selbst nicht dazu bereit bin. Das führt genau zu der Situation in der wir aktuell stecken. Viele Lippenbekenntnisse, kaum Taten.
Ich bin nicht kompetent genug darauf eine Antwort zu geben. Ich denke, die Paris-Ziele einzuhalten wäre mal das nötigste, um zumindest die vielbesagten
Kipppunkte zu vermeiden. Ich glaube, dass es naiv ist, anzunehmen, dass man dauerhaft bekanntermaßen endliche Ressourcen aus der Erde holen und sie verbrennen kann, ohne dass das folgen für die Erde hat. Ich glaube das Atomstrom aus mehreren Gründen keine echte Alternative darstellt:
- die Stromgestehungskosten sind höher als bei Wind und Solar.
- der CO2-Ausstoß ist höher als bei Wind und Solar.
- das "Recycling" ist nahezu unmöglich, die Deponierung der Abfälle verschlingt Milliarden an Steuergeldern.
- Das Risiko eines GAUs und dessen Folgen sind unkalkulierbar - so sehr, dass es keinen Versicherer gibt, der die Haftung für die Folgekosten übernehmen will.
Da Fusionsreaktoren noch weit, weit weg von einer kommerziellen Nutzung sind, sehe ich zu Wind und PV keine Alternative. Bei der Wärmeerzeugung sollte nur noch dort ein Feuer brennen, wo es nicht anders sinnvoll ist. Im Haushaltsbereich kann man effizient mit Strom heizen, wir tun es nur viel zu wenig. Auch beim Verkehr gewinnt Strom an Bedeutung. Die Herausforderung ist also meines Erachtens den nicht immer verfügbaren Strom aus Wind und PV so effizient zu nutzen, dass die eingeschränkte Verfügbarkeit weitestmöglich ausgeglichen werden kann und nur der Rest mit "konventionellen" Kraftwerken aufgefüllt wird. An dieser Stelle können oder müssen wahrscheinlich auch AKWs eine Rolle spielen - ob es aber nochmal eigene deutsche AKWs geben wird bezweifle ich - vielleicht über eine europäische Ebene. Man wird in Sachen Atomstrom wahrscheinlich auf Importe angewiesen bleiben (ähnlich wie jetzt beim Gas) und das muss wegen oben genannter Gründe soweit wie möglich reduziert werden. Bin auch mal gespannt, wie Frankreich da in naher Zukunft mit ihren "runtergewirtschafteten" AKWs umgeht - die zum Teil abgeschaltet wurden weil die SF6-Emissionen der Schaltanlagen zu hoch waren
.
Und da kommt wieder einiges von dem ins Spiel, was ich schon geschrieben habe. Es gibt einfache Konzepte für saisonale Wärmespeicher, die sich regional gut umsetzen lassen und gerade die Spitzen aufnehmen können, bei denen wir heute PV und Wind abregeln müssen. Das entlastet das Netz und füllt die regenerative Wärmelücke im Winter. Das geht auch mit Wärmepumpen und größeren Pufferspeichern, die bei Überschuss höhere Vorläufe anfahren - wenn auch nicht in saisonalem Maßstab. Die Weiterentwicklung der WP-Technik habe ich auch schon angesprochen, damit ein quasi 1:1-Austausch erfolgen kann und Dämmen nur da notwendig ist, wo es sich auch refinanziert. Gerade im älteren Bestand sind es oft schon kleine Eingriffe, die nennenswerte Verbesserungen bringen.
Das E-Auto am Netz spielt eine Rolle und generell die Weiterentwicklung von Stromspeichern. Am Ende wird es darauf ankommen, wie gut man alle Instanzen miteinander zusammenbringen kann. Aber so lange wir wegen jeder Leitung und jedem Windrad in Grabenkämpe verfallen und die Gegner mit pseudosachlichen Argumenten möglichst viel blockieren geht nichts vorwärts und die Kosten werden höher.
Ich sehe weniger einen drohenden Niedergang sondern eine Chance Marktführer für Energieverbundsysteme zu werden. Denn auch wenn andere große Industrienationen aktuell noch weniger in dieser Richtung unternehmen, werden auch sie sich mittelfristig mit hohen Preisen für Gas, Öl und Kohle konfrontiert sehen und gegensteuern müssen. Vielleicht täusche ich mich, aber ich glaube jedenfalls nicht, dass die einfache, billige und bequeme Lösung schon irgendwann demnächst quasi vom Himmel fällt.